AUSGABE 01 „ NEUES UND ALTES WIRD MITEINANDER VERBUNDEN“ St. Jakob in Dachau. Aktuell sind wir mit Restaurie- rungsarbeiten in der Kirche St. Georg und dem Domberg in Freising beschäftigt. Außerdem restau- rieren beziehungsweise rekonstruieren wir gerade einen barocken Stadel in Marzling – auch ein sehr spannender Auftrag. Etwas ganz Besonderes war die Dachstuhlsanierung in der Münchner Frauen- kirche. Ich stamme ja aus demselben Ort wie der Baumeister, Jörg von Halsbach. Als Zimmerer aus Halsbach nach 500 Jahren dort zu arbeiten, das ist ein Gefühl, das man kaum beschreiben kann. Wendet man in denkmalgeschützten Gebäuden besondere Methoden an? Man arbeitet so, wie es Zimmerer seit jeher tun – und wie es auch jeder Zimmerer in der Ausbildung noch lernt: Man muss mit dem Stemmeisen und mit dem Klöpfl umgehen können und nach einem 1 : 1 Aufriss arbeiten. Heutzutage erleichtern natürlich moderne Gerätschaften und Werkzeuge die Arbeit. Zum Beispiel haben wir heute eine Handkreissäge und einen 3-D-Scanner, der innerhalb weniger Minu- ten alle relevanten Daten sammelt, um daraus einen perfekten Plan zu erstellen. Das ist vor allem bei der Schadenskartierung ein enormer Fortschritt. Was hat die Zimmerei Frank den anderen voraus? Natürlich ist es ein bisschen zu einfach zu sagen, dass ein Zimmerer bei einer Restaurierung macht, was er schon immer macht. Man braucht Leute mit Erfahrung und Expertise, die ein besonderes Augen- merk auf die Konstruktionsweisen legen. Wir bei Frank schauen drauf, dass sich unsere Leute weiter- bilden und so kommen wir mit mehreren Fachleuten zur Baustelle. Dort betreten wir das Gebäude mit größtem Respekt und einer gewissen Ehrfurcht vor der Leistung unserer Vorgänger. Es herrscht ein Einklang an Erfahrungen zwischen Statikern und Wie muss man sich die Arbeitsweise bei einer Restaurierung, zum Beispiel bei dem Barockstadel, vorstellen? Man erstellt einen 1 : 1-Aufriss, auf den die einzel- nen Bauteile aufgelegt werden, und arbeitet diese dann nacheinander ab. Das heißt, man hat keinen Plan in der Hosentasche, der liegt auf dem Boden. Da ist auch kein Teil wie das andere, weil das Holz natürlich damals ausschließlich mit Hand behauen wurde. Also arbeiten auch wir nur an der Werkbank und nicht mit der Abbund- maschine. Man sagt, der Zimmerer von heute und der Zimmerer von damals reichen sich auf metaphorische Weise die Hand. Das spiegelt sich auch in der Arbeit selbst wider: Neues und Altes wird miteinander verbunden. Zimmerern. Zusammen finden wir immer saubere Lösungen, die den Werken der alten Zimmererkunst gerecht werden. Worauf kommt es dabei an? Es ist uns ein Anliegen, respektvoll mit dem alten Bestand umzugehen. Wir richten nur her, was wirklich nötig ist. Unser Leitspruch lautet: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Florian Platzer ist ein Restaurator mit Leib und Seele. Das merkt man schon daran, was er sagt. Aber noch mehr, wie er es sagt. Schauen Sie sich deshalb den Film zum Interview an. Unbedingt. „So ein Projekt weckt in jedem Zimmerer eine ganz besondere Leidenschaft“, weiß Bauleiter Günther Larch, Zimmerer bei Frank. Noch viel mehr als bei anderen Aufträgen baue man hier eine mentale Verbindung zu den Zimme- rern von anno dazumal auf – „man gibt sich die Hand“. Dabei geht es nicht um Esoterik, sondern um das Verständnis für Konstruktionsweisen und Hand- werkskunst. BAUSTIL UND -MATERIAL BEWAHRT Mit der Restaurierung des Barockstadels trage man dazu bei, „alte Bauweisen und alte Handwerkstechniken nicht in Vergessenheit geraten“ zu lassen, so Projektleiter Florian Platzer, Restaurator im Zimmererhandwerk. Wie zum Beispiel die Konstruktion eines liegenden Pfettendachs mit Firstständern am Krüppelwalm. Auch der Konservierung alten Baumaterials trägt das Projekt Rechnung: Unter dem Arbeitstitel „Wohnen im Obstgarten“ sicherte die Zimmerei im Korpus des rekonstruierten Barockstadels den Fortbestand hölzerner Relikte aus der Vergangenheit. REKONSTRUKTION EINES BAROCKEN BAUKUNSTWERKS „So ein Projekt weckt bei jedem Zimmerer eine ganz besondere Leidenschaft“: Günther Larch, Fachleitung Denkmalpflege. Mit der Herausforderung wächst bei einem echten Münchner Zimmerer der Reiz eines Projektes. So auch beim Auftrag eines privaten Bauherren, für den die Spezialisten der Zimmerei Frank einen Barockstadel errichten sollten – mit originalen Bauteilen aus dem Jahre 1771 und auf Basis von Skizzen, die der Bauherr nach ähnlichen Nutzgebäuden aus dieser Zeit gezeichnet hatte. Die Restaurierungsprofis rekonstruierten den Stadel nach diesen historischen Vorbildern, ersetzten bei den vorhandenen Bauteilen die beschädigten durch Prothesen und fügten neue hinzu, wo es keine originalen mehr gab. STECKBRIEF Baujahr Neuer Standort Bauherr Bauzeit Maße Tragwerk Projektleiter Bauleiter 1771, errichtet in Ampertshausen Marzling Günter Krieglsteiner Oktober 2022 bis März 2023 Länge 21 m, Breite 11,50 m, Firsthöhe 10,20 m liegendes Pfettendach mit Scherenbindern und Krüppelwalm Restaurator im Zimmererhandwerk Florian Platzer Günther Larch, Fachleitung Denkmalpflege bei der Zimmerei Frank